Der Skandal um die „RBB-Anwälte“, der keiner ist

„SKANDAL!“ schreit es derzeit wieder durch die Medien (z.B. (Click) Tagesspiegel, Tagesschau, FAZ): Hat doch der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) zur Aufarbeitung seiner Probleme Anwaltskanzleien eingeschaltet, die für ihre Tätigkeit Geld verlangen (!!!).

Bei näherer Betrachtung schrumpft der SKANDAL schnell zusammen. Dazu braucht man aber etwas Hintergrundwissen:

Aufgrund von höchstrichterlichen Entscheidungen zu den insoweit relevanten Fragen geht man heutzutage im Strafrecht davon aus, dass Institutionen und Unternehmen eine Pflicht trifft, Anhaltspunkten für Straftaten im eigenen Haus umgehend nachzugehen. Unabhängig davon, ob Strafverfolgungsbehörden eingeschaltet werden oder sich bereits eingeschaltet haben und unabhängig davon, ob man es schon früher hätte wissen können oder müssen.

In den Unternehmen und Institutionen wird aber üblicherweise kaum Personal vorgehalten, das ausreichend spezielles Know-How hat, um strafrechtliche Fragen zu beantworten. Zudem sind diese Fragen selbst bei einfachen Sachverhalten in der Regel rechtlich kompliziert.

Selbst wenn intern ein paar kenntnisreiche Juristen vorgehalten werden, hilft das meist nicht.

Zum einen ist dann eben immer die Frage, ob diese internen Mitarbeiter überhaupt unbefangen eine derartige Untersuchung durchführen können oder sollten. Der Vorwurf der „SKANDAL!“ – Presse wäre dann doch sicher: „Kann mit diesen Mitarbeitern echte Aufarbeitung gelingen?“

Zum anderen ist es schlicht ein technisch-logistisches Problem: Für die Sichtung von Datenbeständen mit oft tausenden Emails oder etwa Unterlagen im Umfang von zahlreichen Umzugskisten auf strafrechtliche Relevanz reicht das interne Personal regelmäßig bereits zahlenmäßig nicht aus.

Eine eigene Sichtung durch die internen Ermittler ist aber nötig. Zwar behauptet z.B. die „Bild“, dass doch „alles schon von der Presse enthüllt“ worden sei. Nur: Darauf dürfen sich Anwaltskanzleien bei derartigen Prüfungen nicht verlassen, sie müssen alles selbst überprüft haben – selbst wenn sie am Ende zu demselben Ergebnis kommen.

Aufgrund dieser Umstände ist es oft alternativlos, dass das entsprechende Know-How von den betroffenen Unternehmen und Institutionen im Bedarfsfall eingekauft wird. In der Regel muss dabei alles ganz schnell gehen , da ja z.B. beschleunigt geklärt werden soll, ob sich ein Verdacht bestätigt und die Institution daher eigene Anzeigeerstattungen in Betracht ziehen muss. Oder weil eben, wie jetzt beim rbb, hoher öffentlicher Druck anliegt.

Das bedeutet, dass eine Kanzlei mit entsprechendem Spezialwissen von jetzt auf sofort eine bestimmte Anzahl an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für diesen Fall abstellen muss – zusätzlich zum laufenden Geschäft. Daher werden von ihnen eben auch mehrere Anwältinnen und Anwälte geschickt, die sich das aufteilen. Es werden wohl auch hier nicht ständig 31 Anwältinnen und Anwälte gleichzeitig gearbeitet haben.

Man denke mal bitte nach: Von welchen Dienstleistern kann man überhaupt verlangen, dass sie sofort mit Experten zur Hilfe kommen, die Arbeit übernehmen und für Fehleinschätzungen zudem noch ggf. selbst haften? Derartige Noteinsätze wären auch bei Handwerkern nicht billig. Dementsprechend lassen sich das die Kanzleien mehr oder weniger teuer bezahlen. Die genannten Stundensätze sind dabei durchaus im Rahmen dessen, was in diesem Bereich berechnet wird und nicht als überteuert anzusehen.

Auch Zuarbeiten an die Staatsanwaltschaften sind dabei üblich geworden. Die personell klammen und in bereits bestehende Dezernate aufgefächerten Staatsanwaltschaften sind nämlich in der Regel ihrerseits ebenfalls allenfalls bedingt in der Lage, solche Fälle kurzfristig mit Personal zu beschicken. Deswegen nehmen sie gerne die nach der Rechtsprechung vom Unternehmen oder der Institution ohnehin durchzuführende und damit auch zu bezahlende „Ermittlungsarbeit“ an, vor allem natürlich, wenn diese nicht von internen, sondern externen Anwälten durchgeführt wurden. Die eigene Aufklärungsarbeit der Staatsanwaltschaften ist daher nicht selten eher gering.

Was wäre aber die Alternative? Die Wahl besteht hier oft nur zwischen einer schnellen und für das Unternehmen kostspieligen (damit auch abschreckenden) internen Aufklärung oder einem mehrjährigen Ermittlungsverfahren, in dem alle Beteiligten bereits durch die Presse vorgewarnt worden sein dürften. Professorales Wissen darum, dass beide Alternativen schlecht sind, löst das Problem nicht.

Abstimmungen zwischen den Anwaltskanzleien und den Verantwortlichen der Unternehmen und Institutionen sind dabei unumgänglich: Denn zwar führen die Anwaltskanzleien die Ermittlungen, aber eben im Auftrag und für die Betroffenen, die letztlich nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Verantwortung für die interne Aufklärung tragen. Die Abstimmung hat einen guten Grund: Denn sonst könnten die Verantwortlichen ja stets sagen: „Keine Ahnung, warum Sie nicht alles erhalten haben, Frau Staatsanwältin. Wir wollten doch alles aufklären, aber mit uns haben diese Anwaltskanzleien ja nicht geredet, sondern nur mit Ihnen!“ Auch hier also kein Skandal, sondern Professionalität.

Der Umstand, dass es überhaupt derartige Ermittlungen gibt wird, ebenso wie das angesprochene Risiko von Verzerrungen im Ermittlungsergebnis, immer wieder kritisiert, so etwa von den beiden hier nun vielfach zitierten Strafrechtsprofessoren. Nur: Was sollen die betroffenen Unternehmen und Institutionen tun? Darauf geben die Professoren leider keine Antwort.

Fakt ist: Diese Praxis ist das Ergebnis vor allem von höchstrichterlicher Rechtsprechung, an die sich jedenfalls die Betroffenen solange halten müssen, bis insbesondere der Bundesgerichtshof (BGH) anderes signalisieren sollte.

Dafür kann der rbb ausnahmsweise mal nichts.