Corona-Kontaktsperre-Blog Teil II: Corona-Strafrecht

Corona und Strafrecht: Fortsetzung der Serie.

Bitte dringend beachten: Die Lektüre der folgenden Ratschläge ersetzt keine Rechtsberatung! Jeder Fall ist anders. Die Verwendung der Ratschläge erfolgt auf eigene Verantwortung. Es gibt bei der neuen Lage auch noch keinerlei konkrete Präzedenzfälle, auf die zurückgegriffen werden könnte. Die folgenden Ausführungen orientieren sich an den allgemeinen Lehren und den bislang bekannten Informationen zum Umgang mit den Vorschriften.

Wie bereits im I. Teil der Serie (Ihre Rechte im Straf- und Bußgeldverfahren) berichtet, ist nun jeder Bürger ein potentieller Straftäter.

Muss ich ins Gefängnis, weil ich gegen das Kontaktverbot verstoßen habe?

Und liest man dieser Tage die Presse, kann einem sowieso nur angst und bange werden. So schreibt SpiegelOnline unter der Überschrift: „Von Bußgeldern bis Haftstrafen So teuer sind Verstöße gegen Corona-Verbote“:

„Um diese Verbote durchzusetzen, darf der Staat hart durchgreifen. Das Infektionsschutzgesetz sieht in den Paragraphen 73 bis 75 für Verstöße Geldbußen von bis zu 25.000 Euro vor – und Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren. Wenn sich jemand ansteckt, sind sogar bis zu fünf Jahre Haft möglich. Eine Straftat begeht beispielsweise derjenige, der

  • gegen eine behördliche Quarantäne-Anordnung oder
  • das Kontaktverbot verstößt, [darunter fallen ja auch die 1,50m Abstand, RA Hof]
  • eine Ausgangssperre missachtet oder
  • seinen Beruf ausübt, obwohl ihm das verboten worden ist.

Gegen jemanden, der andere dabei ansteckt, sind auch Verurteilungen wegen fahrlässiger oder vorsätzlicher Körperverletzung möglich.“


Fürchtet Euch nicht!

Ja, da muss man wirklich mal auf die Bibel zurückgreifen. Zumindest sage ich: Fürchtet Euch nicht so sehr!

Ich weiß natürlich nicht, woher SpiegelOnline seine Informationen bekommt. Angesichts der sich hinter diesen Informationen verbergenden Drohkulisse liegt die Vermutung nahe, dass man dort einen Pressesprecher der Polizei gefragt hat. Die dürfen ja von Amts wegen nie sagen, dass sie etwas nicht wissen, und werfen dann schnell mit allen möglichen halbwegs plausibel erscheinenden Straftatbeständen um sich, um klar zu machen WIE ernst die Lage ist.

Merke: Kein Gericht interessiert, was der Pressesprecher einer Polizei als Straftat ansieht oder nicht. Dessen Bekundungen haben daher etwa denselben Informationswert wie: „Uli H. lässt mitteilen: ‚Ich habe alles korrekt versteuert und außerdem sowieso genug Steuern bezahlt.'“ Wäre vielleicht für die Bunte oder die BILD-Zeitung von Bedeutung, sonst ist es aber eher uninteressant. Auch die Social-Media-Teams der Polizeien teilen den Bürgern regelmäßig nichts Rechtsverbindliches mit (ich übrigens auch nicht): Am Ende entscheiden die Gerichte.


Straftaten nach IfSG

Corona und Strafrecht nach dem IfSG: Im Gesetz steht es dann doch ein bisschen anders als man nach der Lektüre des Online-Spiegels denken könnte. Merke II: „Der Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung!“ Also schauen wir mal hinein. Es gibt sogar eine Überraschung!

I. Prinzipiell Ordnungswidrigkeiten, § 73 IfSG

Erst einmal sind die Verstöße, die SpiegelOnline als Grund für eine Haftstrafe nennt, Ordnungswidrigkeiten nach § 73 IfSG, bedeutet, es droht ein Bußgeldverfahren (siehe dazu Teil I dieser Serie).


II. Straftat nach § 74 IfSG nur unter besonderen Voraussetzungen: Bei SARS-CoV-2 wohl nicht erfüllt!

§ 74 IfSG, der die Strafvorschriften des IfSG mit maximal fünfjähriger Strafandrohung enthält, verweist dementsprechend auch auf § 73 IfSG. Damit aber überhaupt eine Straftat im Sinne des § 74 IfSG erfüllt sein kann, müssen nach dieser Norm besondere Voraussetzungen erfüllt sein, nämlich vorsätzliches Handeln und, vor allem, die Verbreitung einer in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 IfSG genannten Krankheit oder eines in § 7 IfSG genannten Krankheitserregers:

„Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine in § 73 Absatz 1 oder Absatz 1a Nummer 1 bis 7, 11 bis 20, 22, 22a, 23 oder 24 bezeichnete vorsätzliche Handlung begeht und dadurch eine in § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannte Krankheit oder einen in § 7 genannten Krankheitserreger verbreitet.“

Und? Bitte selbst nachlesen: Das Virus SARS-CoV-2, besser bekannt als COVID-19 oder schlicht Corona ist weder in § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 IfSG noch in § 7 IfSG genannt. In § 7 Abs. 1 Nr. 31a ist zwar das „Middle-East-Respiratory-Syndrome-Coronavirus (MERS-CoV)“ aufgeführt. Dabei handelt sich es aber eben nicht um das SARS-CoV-Virus. Selbst die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung schreibt dazu ausdrücklich:

„Neuartiges Coronavirus (SARS-CoV-2)

In China kam es Ende 2019 zu einem Ausbruch durch ein neuartiges Coronavirus. Der Erreger zählt zwar ebenfalls zu den Coronaviren, ist jedoch nicht zu verwechseln mit dem MERS-Coronavirus (MERS-CoV).“

Fazit: Bestrafung nach § 74 IfSG eigentlich ausgeschlossen.


II. § 75 IfSG

1. § 75 Abs. 3 IfSG – eher nicht anwendbar

Auch § 75 IfSG sieht in Absatz 3 eine bis zu fünfjährige Haftstrafe vor, anders als § 74 IfSG sogar ohne Möglichkeit einer Geldstrafe, aber auch dort wird in derselben Form wie bei § 74 IfSG auf die §§ 6, 7 IfSG verwiesen – geht hier also auch wohl eher nicht.

2. § 75 Abs. 1, 2 und 4 IfSG

Relevanz für den normalen Bürger wird hier als Ausgangspunkt vor allem § 75 Abs. 1 Nr.1 IfSG haben. Diese Ziffer ist nun aber aufgrund der Verweise auf die §§ 28 Abs. 1 Satz 2, § 30 Abs. 1 oder § 31, „jeweils auch in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 32 Satz 1“ nicht ohne Weiteres klar:

Einmal abgesehen davon, dass hier noch Fragen zur Verfassungsmäßigkeit offen sind, stellen sich gerade bei den Schutzmaßnahmen ganz konkret wieder dieselben Probleme wie beim Nachweis der Ordnungswidrigkeiten (siehe dazu Teil I dieser Serie). Der Nachweis der Straftaten wird also im einzelnen Fall durchaus ein Problem sein. Dann ist aber eine Verurteilung ebenfalls unwahrscheinlich.

Fazit: Bestrafung nach § 75 IfSG – eher unwahrscheinlich.


Straftaten nach dem StGB

Corona und Strafrecht nach dem StGB: Wohl ausgehend von dem Kolumnenbeitrag „Virus Strafbar“ des ehemaligen BGH-Senatsvorsitzenden Thomas Fischer, hat SpiegelOnline noch die § 223 StGB und § 229 StGB, also vorsätzliche und fahrlässige Körperverletzung, erwähnt. Wenn man sich schon darauf einlässt, müsste man wohl sogar die „gefährliche Körperverletzung“ gem. § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB erwähnen, denn die dort genannten „anderen gesundheitsschädlichen Stoffe“ umfassen nach der herrschenden Ansicht auch Viren und Bakterien.

Generell wird man mit Blick auf die StGB-Normen aber zwischen corona-positiven Mitbürgern und anderen unterscheiden müssen. Im Vordergrund sollen hier aber die Mitmenschen stehen, die zu Hause bleiben müssen, obwohl sie gerade NICHT krank sind.

I. §§ 223, 224 StGB: Vorsatz nötig

Die §§ 223, 224 StGB verlangen zunächst einen Körperverletzungsvorsatz, der Beschuldigte muss also

1. ernsthaft für möglich halten, dass er corona-erkrankt sein könnte (Wissenselement)

2. „billigend in Kauf nehmen“, dass die andere Person dadurch krank wird (Wollenselement)

Letzteres (also 2.) wird bei einer hochansteckenden Krankheit wohl kein Problem sein. Aber ob bei einer durchaus auch symptomfrei verlaufenden Erkrankung jeder automatisch in Kauf nimmt, Corona zu haben, ist eher fern liegend.

Anders natürlich, falls die Person corona-positiv getestet wurde. Mit einem positiven Testergebnis muss man aber logischerweise sowieso aufpassen. Um die positiv Getesteten geht es daher hier eher nicht, sondern um den nicht-positiv getesteten „Otto Normalbürger“.

II. 229 StGB

§ 229 StGB ist jedenfalls bei corona-positiven Bürgern, die andere anstecken, überaus naheliegend. Bei corona-negativen Bürgern dürfte auch dieser Tatbestand eher fern liegen: Nötig für ein Fahrlässigkeitsdelikt im Sinne des StGB ist generell eine objektive Sorgfaltspflichtverletzung (das könnte wohl noch der Verstoß gegen ein Kontaktverbot sein), aber auch die objektive Vorhersehbarkeit des tatbestandlichen Erfolgs, sprich der Infizierung mit Corona und zudem die persönliche Vorwerfbarkeit des ganzen für den konkreten Beschuldigten. Die letzgenannten Punkte dürften wiederum eher fern liegen.

III. §§ 212, 222 (211?) StGB?

Fischer erwähnt in seiner Kolumne auch noch Tötungsdelikte. Und ja, theoretisch ist deren Verwirklichung (vor allem mit Blick auf die fahrlässige Tötung gem. § 222 StGB (coronaerkrankte Tochter besucht die alten, lungenkranken Eltern. Die stecken sich an und sterben später) sogar möglich, mit Blick auf die hier eher interessierenden Nicht-Kranken, die also „nur“ gegen die Ausgangssperre verstoßen, sehr unrealistisch. Das daher einfach bei Fischer selbst lesen.


IV. Erneut: Bedeutung des Schweigerechts

Gerade bei den StGB-Vorwürfen zeigt sich aber erneut die Bedeutung des Schweigerechts!

Wer nämlich auf die Frage der Polizei: „Hatten Sie in den letzten Tagen oder jetzt Halskratzen?“ mit „Ja“ antwortet, rückt schon ein Stück näher an eine Straftat als ohne Aussage. Daher lautet die einzig grundsätzlich rechtssichere Antwort: „Ich möchte dazu jetzt nichts sagen.“

Näheres zum Schweigerecht bereits in Teil I dieser Serie.

Fazit:

Insbesondere Gesunde ohne Symptome sind vor einem Strafverfahren vielleicht nicht sicher, es gibt aber viele Ansätze zur Verteidigung. Das Risiko einer Verurteilung dürfte für Gesunde nach heutigem Kenntnisstand eher gering sein. Wies es für solche Blogs aber üblich ist: Ausschließen kann ich eine Verurteilung im konkreten Fall natürlich nicht. Fakt ist aber, dass die einseitig auf irgendwelche Strafnormen blickende momentane Berichterstattung ein verzerrtes Bild liefert. Corona und Strafrecht haben dann doch nicht so viel miteinander zu tun wie es auf den ersten Blick vielleicht scheint.