Anklageschrift bekommen?

Ich habe eine Anklageschrift erhalten – und jetzt?

Liegt eines Tages eine Anklageschrift in Ihrem Briefkasten und Sie haben noch keinen Anwalt, ist es höchste Zeit, sich Gedanken dazu zu machen, ob Sie das Strafverfahren weiterhin alleine führen wollen. Denn schon der Umstand, dass überhaupt gegen Sie Anklage erhoben wurde zeigt, dass Ihr bisheriges Verhalten keine sehr erfolgreiche Verteidigung dargestellt hat. Sie haben nämlich jetzt schon einige Möglichkeiten zu Ihrer Verteidigung verpasst oder sie nicht richtig genutzt (manchmal kann man aber auch einfach nicht viel machen – aber: Woher wollen Sie das wissen?).

Es ist Zeit, sich Rat zu suchen!

Der Erhebung einer Anklageschrift gehen nämlich verschiedene Prüfungen innerhalb der Staatsanwaltschaft voraus, die dann wie ein Trichter – oder besser: wie eine Reuse – nach und nach den Weg in Richtung Gerichtsverhandlung bahnen, so die Staatsanwaltschaft keine andere Form der Erledigung für ausreichend erachtet.

Die Macht der Staatsanwaltschaft

Jetzt kann man natürlich sagen: „Ja gut, Anklageschrift. Das ist ja nur die Sicht der Staatsanwaltschaft!“ Von dieser Sichtweise kann man nur abraten. Die Staatsanwaltschaft ist nicht irgendeine Aufsichtsbehörde über die Polizei.

Nein, die Staatsanwaltschaft ist in der heutigen Praxis des Strafprozesses der „mächtigste“ Teilnehmer am Strafverfahren überhaupt. Hinsichtlich der Bandbreite ihrer Möglichkeiten ist sie sogar „mächtiger“ als die Gerichte!

Beispiele? Die Staatsanwaltschaft entscheidet, ob und wie, auch mit welcher Härte, ein Strafverfahren gegen Sie geführt wird: Sie entscheidet, welche Taten zu welchem Gericht angeklagt werden. Zudem entscheidet die Staatsanwaltschaft noch bis ins gerichtliche Verfahren hinein, ob Verfahren (selbst bei einem Einstellungswillen des Gerichts) überhaupt eingestellt werden können oder nicht. Sie kann am Ende des Verfahrens Rechtsmittel einlegen. Das sind nur die wichtigsten Beispiele.

Die Gerichte entscheiden in der heutigen Praxis des Strafverfahrens letztlich oft „nur“ noch, ob und in welcher Höhe bestraft oder ausnahmsweise einmal freigesprochen wird.

Das zeigt, dass es schon fünf vor Zwölf ist, wenn Sie angeklagt wurden!

Was bedeutet es, wenn ich eine Anklageschrift bekommen habe?

Aus rechtlicher Sicht kann man aus der Zusendung einer Anklageschrift Folgendes ableiten:

1. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Sie eine Straftat begangen haben!

Die Staatsanwaltschaft prüft, ob Sie aus ihrer Sicht eine Straftat begangen haben. Sonst muss sie das Verfahren nämlich einstellen, § 170 Abs. 2 StPO. Dabei prüft die Staatsanwaltschaft sowohl die Beweislage als auch die Rechtslage.

Was wollen Sie zur Beweislage sagen? Oft wollen Sie selbst sofort eine Erklärung gegenüber dem Gericht abgeben. Umso mehr, weil in dem Brief üblicherweise etwas davon steht, dass Sie innerhalb von zwei Wochen Beweiserhebungen beantragen können. Dass diese Frist verlängert werden kann, steht da oft schon einmal nicht. Geben Sie keine Erklärung ab!

Leider ist es so, dass Sie oft erst selbst durch Ihre Erklärungen das Puzzle zur Straftat vollständig machen. Oft erfolgen diese Erklärungen in dem guten Glauben, gegenüber dem Gericht einmal alles klarstellen zu wollen. Daher sollten Sie sich nie ohne Rücksprache mit einem auf Strafrecht spezialisierten Anwalt zur Tat äußern. Fehler an dieser Stelle kann Ihnen später auch kein Anwalt mehr „reparieren“!

Was wollen Sie zur Rechtslage sagen? Manchmal liegt der „Witz“ im rechtlichen Detail. Kennen Sie sich da aus? Wenn nicht, sollten Sie es lassen.

2. Die Staatsanwaltschaft geht von einer Tat aus, die aus ihrer Sicht nicht mehr geringfügig ist und nicht mehr eingestellt werden kann

Ansonsten würde sie nämlich das Verfahren wegen Geringfügigkeit gemäß § 153 StPO oder weil eine Einstellung unter Auflagen gemäß § 153a StPO ausreichend wäre einstellen.

3. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass ein schriftliches Verfahren / Strafbefehl für Sie hier nicht ausreicht

Das Strafbefehlsverfahren stellt eine Art Gerichtsverfahren ohne Gerichtsverhandlung dar, das aber von der Staatsanwaltschaft schriftlich beantragt werden muss, § 407 Abs. 1 StPO.

In manchen Fällen kann die Staatsanwaltschaft diese Verfahrensart zwar aus rechtlichen Gründen nicht beantragen, in allen anderen Fällen darf man aber davon ausgehen, dass die Staatsanwaltschaft ein Strafbefehlsverfahren beantragt, wenn es möglich ist. Entscheidet sie sich stattdessen für eine Anklage, ist das daher eher ein problematisches als ein beruhigendes Zeichen.

4. Die Staatsanwaltschaft denkt, sie hat genug für Ihre Verurteilung zusammen

Schließlich muss die Staatsanwaltschaft vor eine Anklageerhebung eine Wahrscheinlichkeitsprognose vornehmen und nur anklagen, wenn sie eine Verurteilung für überwiegend wahrscheinlicher hält als einen Freispruch – sonst soll sie das Verfahren nämlich einstellen.

Das ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des Gesetzes, sondern aus der in der Rechtsprechung und Rechtswissenschaft anerkannten Definition des genügenden Anlasses zur Erhebung der öffentlichen Klage im Sinne des § 170 Abs. 1 StPO.

„Ich kläre das dann einfach alles selbst mit dem Gericht“?

Viele Angeklagte wissen nichts über diese ganzen Vorprüfungen durch die Staatsanwaltschaft und denken, alles wird gut, wenn sie es nur endlich mal einem Gericht erklären können.

Im Strafverfahren heutiger Praxis sind bis zur Gerichtsverhandlung aber schon viele Möglichkeiten, das Verfahren für Sie günstig zu beenden, verstrichen. Vor Gericht wird es dadurch nicht einfacher!

Sind Sie aktuell von einem Strafverfahren betroffen?

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